10. August 2023

Darum steht die Ukraine vor einer demografischen Katastrophe
Symbolbild

Der Wiederaufbau der Ukraine ist ernstlich bedroht – davor warnen die Autoren einer neuen Studie. Denn neben dem blutigen Krieg im Osten sorgt auch der Exodus von Millionen Ukrainern für den absehbaren demografischen Kollaps des Landes. Die Untersuchung belegt die katastrophalen Auswirkungen der Massenflucht und zeigt, dass es dringend Anreize für eine rasche Rückkehr der ukrainischen Flüchtlinge braucht.

Seit dem Frühjahr 2022 befindet sich die Ukraine offiziell im Krieg mit Russland. Zu Beginn dominierte in sämtlichen Zeitungen, Fernsehsendern, Radiohäusern und sozialen Netzwerken monatelang die moralisch stark aufgeladene Berichterstattung . Während sich der linke Mainstream im ekstatischen Fieber des „Ersatznationalismus“ – verbunden mit „Refugees welcome“-Fanatismus – befand, wurde auch im rechten Lager eifrig und anhaltend über die facettenreiche Bedeutung des Konfliktes und seine geopolitischen Auswirkungen diskutiert.

Ausmaß der katastrophalen Bevölkerungsentwicklung

Doch mittlerweile schwindet das Interesse an den Geschehnissen im Osten. Der Krieg hat sich militärisch festgefahren und ist zunehmend von der massenmedialen Bildflächen verschwunden. Trotzdem gehen die blutigen Kampfhandlungen unerbittlich weiter. Und während tagtäglich auf beiden Seiten tausende Männer gegeneinander ins Felde ziehen, macht sich im Schatten des Krieges ein gravierendes Problem immer deutlicher bemerkbar: Der drohende demografische Kollaps der Ukraine. In einer jüngst publizierten Studie eines Wiener Wirtschaftsinstitutes wird erstmals das erschreckende Ausmaß der katastrophalen Bevölkerungsentwicklung sichtbar.

Die Ukraine vor dem Krieg

Die Studienautoren zeigen eindrücklich, dass die demographische Lage der Ukraine schon vor dem Kriegsausbruch keineswegs rosig war. Mit der Unabhängigkeitserklärung im Jahr 1991 setzte ein kontinuierlicher Bevölkerungsrückgang ein, der sich jährlich im Bereich von minus 0,5 bis 0,9 Prozent bewegte. Allein in den letzten drei Jahrzehnten ging die Gesamtbevölkerung des Karpatenlandes um insgesamt rund 20 Prozent zurück. Im Jahr 2001 erreichte die Geburtenrate ukrainischer Frauen mit 1,08 Kindern ein Rekordtief. Kaum eine europäische Nation setzte seit den 90er-Jahren im Verhältnis zu ihrer Einwohnerzahl so wenig Kinder in die Welt. Zeitgleich zogen die Anreize westeuropäischer Sozial- und Wirtschaftssysteme Massen an jungen Ukrainern aus ihrer Heimat ab. Das Resultat: Eine stark überalterte Bevölkerung und ein prekärer Arbeitsmarkt, der wie in einem Teufelskreis für immer größer werdende Auswanderungsströme sorgte.

Massenflucht nach Europa

Mit Beginn des Krieges Anfang 2022 verschärften sich diese bestehenden demografischen Probleme auf einen Schlag massiv. Während ukrainische Männer im Zuge der Generalmobilmachung ins Militär eintraten und an die Front beordert wurden, verließen Millionen Frauen und Kinder das Land in Richtung Westeuropa. Obwohl ein Großteil des Staatsgebietes von der Kampfhandlungen beinahe gänzlich verschont blieb – nur rund 18 Prozent der Ukraine werden derzeit von Russland besetzt – und gerade der Westen des Landes als bewohnbar gilt, verließen seit Beginn des Krieges rund 8 Millionen (!) Ukrainer ihre Heimat. Insgesamt wurden im Zeitraum seit dem Beginn der russischen Invasion und Jänner 2023 über 18 Millionen Grenzübertritte vermeldet. Die beliebtesten Zielländer ukrainischer Flüchtlinge sind Deutschland, Polen, Tschechien und Spanien. Alleine diese vier Staaten haben gemeinsam rund drei Millionen Ukrainer aufgenommen.

Abwanderung der Leistungsträger

Besonders brisant ist die demografische Zusammensetzung dieser Flüchtlingswelle: Rund ein Drittel von ihnen sind Kinder und Jugendliche, während es sich bei 70 Prozent der zwei Drittel der Erwachsenen um Frauen handelt. Alarmierende Zahlen, denn diese sind nicht nur am besten ausgebildet, sondern ein Großteil von ihnen befindet sich im gebärfähigen Alter. Alleine deshalb kommt ihnen beim Wiederaufbau des Landes eine entscheidende Rolle zu. Generell zeigt sich, dass vor allem besser ausgebildete Ukrainer 2022 ihr Land verlassen haben. Einem Bericht der UNHCR zur Folge haben rund 47 Prozent aller ukrainischen Flüchtlinge einen Universitätsabschluss. In manchen Aufnahmeländern liegt der Anteil mit über 60 Prozent sogar noch höher. Die vollständige und rasche Rückkehr dieser Personen ist daher für den Wiederaufbau der Ukraine essenziell.

Entvölkerte Regionen

Insbesondere in den besetzten Gebieten im Osten und Süden des Landes macht sich die stattfindende Entvölkerung am deutlichsten bemerkbar. Städte und Regionen wie Donetsk, Luhansk, Kharkiv, Odessa und Kherson erlebten als Folge der direkten militärischen Konfrontation einen massiven Bevölkerungseinbruch, der nach Meinung der Studienautoren kaum rückgängig gemacht werden kann. Infolge der Binnenflucht und der massiven Zerstörung von Infrastruktur wird es in der Ukraine neben dem generellen Bevölkerungsrückgang auch zu einer erheblichen geografischen Bevölkerungsverschiebung kommen. Eine der größten Herausforderungen wird unter anderem darin bestehen, die einstigen Bewohner zur Rückkehr in ihre mittlerweile zerstörten Gebiete zu bewegen. Folglich liegt laut besagter Publikation die Annahme nahe, dass großflächige Regionen in der Ukraine auch nach dem Krieg weitestgehend entvölkert bleiben, während die von den Zerstörungen verschonten Gegenden – hauptsächlich im Westen gelegen – zukünftig dichter besiedelt werden.

Der demografische Schock

Die in der Studie präsentierten Daten machen jedenfalls deutlich: Die Zukunft der Ukraine hängt sprichwörtlich am seidenen Faden. Der Kriegsbeginn 2022 brachte nicht nur den realen Bomben- und Kugelhagel, sondern auch einen demografischen Schock, von dem sich das Land auch in den kommenden Jahrzehnten nicht vollständig erholen wird können. Realistischen Prognosen zur Folge wird die Ukraine selbst im Jahr 2040 mit rund 35 Millionen Einwohnern noch immer um 20 Prozent weniger Einwohner haben als vor dem Krieg (2021: 42,8 Millionen).

Ausbluten des Volkes

Ob diese Vorhersage tatsächlich so eintritt, hängt aber im Wesentlichen von dem weiteren Fortgang des Krieges ab. Denn auch wenn dieser massenmedial zunehmend in den Hintergrund rückt, sorgen die anhaltenden Kampfhandlungen tagtäglich für ein weiteres Ausbluten des ukrainischen Volkes. Neben der Millionen Flüchtlinge und der vielerorts zerstörten Infrastruktur bewegen sich die Opferzahlen auf ukrainischer Seite mittlerweile im sechsstelligen Bereich. Valide Zahlen dazu fehlen jedoch vollständig, weshalb es sich meist nur um grobe Schätzungen handelt. Allein in der Stadt Mariupol könnten allerdings laut Untersuchungen 90.000 Zivilisten dem Krieg zum Opfer gefallen sein.

Heimkehr als Grundlage des Wiederaufbaus

Da sich der Krieg im Osten festgefahren hat, wird von westlicher Seite immer häufiger die Frage nach der Möglichkeit des Wiederaufbaus gestellt. Doch dessen Erfolgschancen schwinden mit zunehmender Länge des Konflikts. Noch im August 2022 gaben 81 Prozent der im Ausland lebenden Ukrainer an, irgendwann in ihre Heimat zurückkehren zu wollen – nur 13 Prozent konnten sich vorstellen, das bereits in den nächsten drei Monaten zu tun. Die Zahl derer, die ihr Aufnahmeland zu ihrer neuen Heimat machen wollen, steigt unterdessen Woche für Woche. Eine fatale Aussicht: Denn die Rückkehr eines Großteils der über acht Millionen ukrainischen Flüchtlinge ist der entscheidende Faktor, um das Land wieder auf ein stabiles wirtschaftliches und demographisches Fundament zu heben. Zu diesem Fazit kommt die Studie des Wiener Wirtschaftsinstituts, die der Ukraine im Allgemeinen eine recht düstere Zukunft prophezeit.

Integration als Sackgasse

Unter allen Aufnahmeländern scheinen indes vor allem Deutschland und Österreich nicht begriffen zu haben, wie angesichts der drohenden demografischen Katastrophe der richtige Umgang mit ukrainischen Flüchtlingen lauten sollte. Denn anstatt die Ukrainer zu einer baldigen Rückkehr zu bewegen, versucht man sie vielerorts mithilfe von Integrationsprogrammen langfristig anzusiedeln. In Österreich erhofft sich Arbeitsminister Kocher neue Fachkräfte – ein fataler Fehler. Denn dadurch wird nicht nur der Bevölkerungsaustausch im Aufnahmeland weiter befeuert, sondern auch das Herkunftsland seines demographischen Potenzials beraubt.

Absurde Empfehlungen

Doch auch vor den Autoren der Studie macht die ideologische Blindheit nicht Halt. Sie kommen, neben der vernünftigen Handlungsanweisung, ukrainische Flüchtlinge zur Rückkehr in ihre Heimat zu bewegen, zu einem haarsträubenden Schluss: So empfehlen die Autoren, massenweise außereuropäische Migranten in die Ukraine zu schleusen, um die landesweite Nachfrage nach Arbeitskräften für den Wiederaufbau zu decken. Ersetzungsmigranten aus dem Mittleren Osten, Afrika und Asien sollen gezielt angeworben werden, um die demografische Lücke, die durch den Exodus der 8 Millionen Ukrainer entstanden ist zu füllen. Auf mögliche ethnokulturelle Konflikte und die Unmöglichkeit der Integration machen die Autoren dabei nur halbherzig aufmerksam – zu groß ist das Tabu, um darüber offen zu sprechen.

Bevölkerungsaustausch auch in der Ukraine?

Welche fatalen Auswirkungen derartig wahnwitzige Multikulti-Experimente zeitigen, veranschaulicht der Blick nach Westeuropa. Obwohl Staaten wie Deutschland und Frankreich seit Jahrzehnten Millionen Dritte-Welt-Migranten importieren, ist der Fachkräftemangel so dramatisch wie nie zuvor. Darüber hinaus nehmen die „Kollateralschäden“ dieser Ersetzungsmigration immer krassere Auswüchse an, Sollte die Ukraine tatsächlich auf die verheerende Migrationskarte setzen, droht ihr dasselbe dystopische Bevölkerungsaustausch-Szenario, das westeuropäische Staaten derzeit immer beschleunigter erleben. Eine derartige Vorgehensweise wäre der endgültige Sargnagel für die gesamte Ukraine.

Reintegration statt Integration

Insgesamt blickt das osteuropäische Land in eine ungewisse Zukunft: Der andauernde Krieg sowie die fahrlässige „Refugees Welcome“-Politik der europäischen Aufnahmeländer könnten tatsächlich dazu führen, dass nur ein Bruchteil der Ukrainer in ihre Heimat zurückkehren wird. Derartige Tendenzen machen sich laut Umfragen in Österreich und Deutschland bereits bemerkbar. Ihnen gilt es nun vorzubeugen: Denn eine baldige Rückkehr aller geflohenen Ukrainer ist der entscheidende Faktor für die Zukunft der gesamten Nation. Um den Wiederaufbau des kriegsgebeutelten Landes von Anfang an in erfolgreicher Bahnen zu lenken, müssen laut den Studienautoren westliche Aufnahmestaaten nicht die Integration hierzulande, sondern die Re-Integration in der Ukraine zur obersten Maxime ihres politischen Handelns erheben. Andernfalls sind sie es, die die den demografischen Untergang des ukrainischen Volkes zumindest mitzuverantworten haben.

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