Der Rücktritt des niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte sorgt international für Schlagzeilen. Irmhild Boßdorf (AfD) ist mit der politischen Situation in den Niederlanden bestens vertraut. Wir haben mit ihr über die Chancen rechter Parteien, den fortschreitenden Bevölkerungsaustausch sowie den Bauern-Protest in Holland gesprochen.
Erst kürzlich berichteten wir über die andauernden Proteste der niederländischen Bauern gegen die Vernichtung ihrer Existenzgrundlage. Doch auch die verheerende Asyl- und Migrationspolitik sorgt in der Bevölkerung für Unmut. Mark Rutte hat aufgrund dessen nun seinen Rücktritt erklärt – doch was folgt nun? Darüber haben wir mit der AfD-Politikerin Irmhild Boßdorf gesprochen.
Heimatkurier: Liebe Frau Boßdorf! Mark Rutte und seine liberalkonservative Partei waren bisher nicht für einen migrationskritischen Kurs bekannt. So plante seine Regierung bekanntermaßen die Enteignung zahlreicher niederländischer Bauern, um Platz für den konstant hohen Andrang an Migranten zu schaffen. Ist der offene Bruch mit den Koalitionspartnern daher nur ein taktisches Manöver, um den erstarkten Rechtsparteien das Wasser abzugraben?
Irmhild Boßdorf: Tatsächlich ist der Rücktritt von Rutte als ein taktischer Schachzug zu sehen. Die Regierung in den Niederlanden, die aus vier Parteien besteht, ist extrem unter Druck geraten. Rutte hat seit Monaten versprochen, eine Lösung für die unbegrenzte Zuwanderung in die Niederlande zu präsentieren. Aber nichts ist geschehen – im Gegenteil. Mittlerweile klagen Gemeinden über zunehmende Belästigungen durch junge Zuwanderer – in einigen Städten und Gemeinden wurde deswegen schon der Bus- und Zugverkehr eingestellt. Diese Orte werden einfach nicht mehr angefahren. Gleichzeitig ist es für junge Niederländer kaum noch möglich, eine Wohnung zu finden.
Rutte war unter Zugzwang. Seine Partei, die liberale VVD, und die Christdemokraten der CDA wollten eine Begrenzung des Familiennachzugs, er wusste aber, dass seine Koalitionspartner Christenunion und die linksliberale D66 dies kategorisch ablehnen würden. Er hat die Koalition absichtlich platzen lassen. Spätestens Ende November muss es jetzt in den Niederlanden Neuwahlen geben. Rutte hofft auf seine Wiederwahl als „einwanderungskritischer“ Ministerpräsident.
Der Termin ist von ihm gut gewählt: Die relativ junge Bauernbürgerbewegung von Caroline van der Plas könnte Schwierigkeiten haben, in so kurzer Zeit genügend Kandidaten zu finden. Pieter Omtzigt, der den Kinderzuschlagsskandal aufgedeckt hat und dafür in den Niederlanden gefeiert wird, sitzt als Ein-Mann-Fraktion im Parlament. Mit einer eigenen Partei könnte er machtvoll werden, er hat sich aber noch nicht entschieden, ob er mit einer eigenen Liste antreten möchte oder sich vielleicht der BBB anschließt. Es könnte also für Rutte mit dem Machterhalt klappen.
Im Herbst wird es aufgrund des Regierungssturzes zu Neuwahlen kommen. Umfragen sehen die populistische Bauernpartei mit derzeit 27 Prozent weit vor den anderen Parteien. Schon bei den diesjährigen Senatswahlen wurde die Partei mit 20,6 Prozent stärkste Kraft. Auch das Forum für Demokratie (FvD) unter Thierry Baudet und die Freiheitspartei (PVV) unter Geert Wilders malen sich gute Chancen für ein starkes Ergebnis bei den Wahlen aus. Wie realistisch ist daher eine mögliche Rechts-Koalition, die bei einem Wahlsieg im Herbst Regierungsverantwortung übernimmt? Kann man hier auch auf die Bauernpartei setzen?
Das niederländische Parteiensystem ist extrem zersplittert. Die 125 Sitze im Parlament verteilen sich auf etwa zwanzig Parteien. BBB und PVV sind im Moment sehr stark, die BBB liegt bei 18 Prozent, die PVV bei 10 Prozent. Das FvD käme aktuell auf 3 Prozent, die JA 21, eine Abspaltung des FvD, auf 5 Prozent. Für eine rechte Koalition wird das nicht reichen, aber es ist gut möglich, dass es eine rechte Regierungsbeteiligung geben wird.
Caroline van der Plas hat schon angekündigt, dass sie sich durchaus ein Bündnis mit der VVD vorstellen kann – unter der Bedingung, dass Rutte nicht länger Ministerpräsident bleibt. Ob die BBB allerdings tatsächlich standhaft bei der Vertretung der Interessen der Bauern bleibt, muss noch abgewartet werden. Sie hat ja in einigen Gespräch schon signalisiert, dass sie das Stickstoffproblem ernst nimmt, nur einen anderen Zeitplan für die Lösung vorsieht.
Ein Rechtsruck käme für die Niederlande keinen Tag zu früh. In diesem Jahr rechnet man mit der Ankunft von etwa 70.000 Migranten, womit man sogar die Ankunftszahlen aus dem Rekordjahr 2015 übertreffen würde. Häufig wird der auch in den Niederlanden weit fortgeschrittene Bevölkerungsaustausch vonseiten der deutschen Rechten bei der Betrachtung des Auslandes vernachlässigt. Dabei ächzt das Land wie auch die größeren Staaten Deutschland und Frankreich unter dem hohen Migrationsdruck. Befindet sich das Land derzeit an einem ähnlichen Punkt wie Deutschland in den Jahren 2015 und 2022?
Auf jeden Fall. Der Einwanderungsdruck ist enorm. Die Niederlande haben schon heute eine doppelt so hohe Bevölkerungsdichte wie Deutschland. Gab es in den sechziger Jahren gerade einmal 11,5, Mio. Einwohner, so sind es heute schon 17,5 Mio. und die Prognosen sagen, dass es bis zum Jahr 2050 25 Mio. Einwohner geben wird – während die einheimische niederländische Bevölkerung schrumpft.
Sozialwohnungen werden in vielen großen Städten nur noch an „Statushalter“, also erwerbstätige Asylbewerber, oder Flüchtlinge vergeben. Die heimische Bevölkerung kommt nicht mehr zum Zug. In Ballungsgebieten ist für sie das Wohnen unbezahlbar, junge Leute müssen bei den Eltern wohnen bleiben, Familiengründungen bleiben damit aus. In vielen Städten gibt es längst „No-Go-Areas“, die Mocro-Mafia, also die marokkanische Mafia hat einzelne Stadtgebiete fest im Griff. Fast täglich gibt es zwischen den einzelnen Clans Schießereien auf offener Straße.
Wie bereits zuvor angesprochen sind die Enteignungsvorhaben der Rutte-Regierung eng mit der Migrationsfrage verzahnt. Die dadurch hervorgerufenen Bauernproteste waren im letzten Jahr das bestimmende Thema in der niederländischen Politik. Doch nun entsteht der Eindruck, dass sich der Kampf gegen die massenhafte Enteignung durch die Erfolge der Bauernpartei von der Straße ins Parlament verlagert hat. Trügt dieser Eindruck oder sind größere Bauernproteste nicht mehr zu erwarten?
Die Regierung hat den Maßnahmenkatalog zur Stickstoffreduzierung, der vor zwei Wochen verabschiedet werden sollte, nicht durchsetzen können. Geplant waren dabei gezielte Enteignungen, bei denen die Bauern für einen Verkauf ihres Landes mehr Geld erhalten sollten, als sie durch das Weiterbewirtschaften hätten erzielen könnten. Die niederländischen Bauernverbände, allen voran die „Farmers Defence Force“, sind sehr wachsam. Sie waren Ende Juni erneut mit ihren Traktoren in Den Haag, wobei die Stadtverwaltung mittlerweile regelmäßig deren Demonstrationen untersagt.
In den Niederlanden können die Bauern mit ihren Protesten und ihren Anliegen auf eine große Unterstützung durch die Bevölkerung rechnen. Jeder weiß, dass die Niederlande von der Landwirtschaft leben und mittlerweile dämmert es auch immer mehr Leuten, dass die rigide Stickstoffpolitik, die zur Halbierung des Viehbestands führen würde, eigentlich ganz anderen Zwecken als dem Klima und der Umwelt dienen soll. Es geht darum, Land für die vielen Neubürger und Land für eines von Ruttes Lieblingsprojekten, dem Städteverbund von „Tristatecity“, zu bekommen. Mit ihrem Kreuz bei der BBB haben die Niederländer im März deutlich gezeigt, was sie von diesen Plänen halten.
Den Kampfgeist der niederländischen Bauern kennend gehe ich nicht davon aus, dass sie sich darauf verlassen, dass der Protest nur noch im Parlament stattfindet. Sie werden weiter auf die Straße gehen und für ihre Belange eintreten. Erst recht, wenn es tatsächlich zu Enteignungen kommen sollte.
Sehr geehrte Frau Boßdorf, herzlichen Dank für das Gespräch!
Irmhild Boßdorf ist Fraktionsgeschäftsführerin der AfD-Fraktion im Landschaftsverband Rheinland. Am kommenden Parteitag in Magdeburg tritt sie als Kandidaten für die kommenden EU-Wahlen an.