Das österreichische Parlament stellte jüngst die Ergebnisse einer Erhebung vor, wonach 32 Prozent der Österreicher eine „latent antisemitische Einstellung“ aufweisen würden. Ein genauerer Blick auf die Studie zeigt jedoch, dass ein bedeutender Teil der Österreicher schlichtweg genug vom propagierten Schuldkult hat – und genau aus diesem Grund als „antisemitisch“ verunglimpft wird.
Am vergangenen Dienstag, den 18. April 2023, wurde im Rahmen einer von Wolfgang Sobotka (ÖVP) angeführten Pressekonferenz die neue Antisemitismusstudie des Parlaments vorgestellt. Der vorhersehbare Grundtenor: Antisemitismus sei ein „Jahrtausende altes Phänomen, das aus der Mitte der Gesellschaft komme“ und eine „Gefahr für die Demokratie“ darstelle. Laut Sobotka, der sich anlassbezogen gerne mit Kippa ablichten lässt, gilt es daher, „antisemitische Einstellungen zu bekämpfen”. Dazu sollen Gedenkveranstaltungen und sonstige „zivilgesellschaftliche Initiativen“ dienen. Doch die Ergebnisse zeigen auch: Ein bedeutender Teil der Österreicher hat genug von der Indoktrination der „ewigen Schuld”, die von Erziehungs- und Entwicklungspsychologen aufgrund ihrer negativen Auswirkungen auf die Psyche zunehmend kritisiert wird.
„Verschwörungsantisemitismus“
Zunächst unterteilt die Studie Antisemitismus in unterschiedliche, äußerst ungelenk formulierte Erscheinungsformen. Da gebe es zunächst den „Verschwörungsantisemitismus“. Dieser behaupte die „Existenz weltweiter jüdischer Netzwerke“ und deren politischen und gesellschaftlichen Einfluss. Knapp 36 Prozent der Befragten halten demnach „Die Juden beherrschen die internationale Geschäftswelt“ für zutreffend; rund 30 Prozent stimmen der Aussage „In wachsendem Ausmaß zeigen sich heute wieder Macht und Einfluss der Juden in der internationalen Presse und Politik“ zu.
Kurios ist in diesem Zusammenhang, dass die antifaschistische Initiative „Take Back the Streets“ erst kürzlich die „reale und systemische Unsichtbarmachung“ jüdischer Herkunft als „Teil des Problems“ kritisierte. Die Initiative hatte zuvor den jüdischen Psychologen Sigmund Freud als „alten, weißen Mann“ bezeichnet. Daraus ergibt sich folgende Frage: Ist nun die Thematisierung oder die Unsichtbarmachung der jüdischen Herkunft einflussreicher Persönlichkeiten antisemitisch? Trifft gar beides zu? Oder wechselt das je nach Kontext? Hier gibt es für die strebsamen Anti-Antisemitismus-Kämpfer noch einiges zu reflektieren.
„Schuldumkehrantisemitismus“
Doch weiter im Text. Als nächstes führt die Studie den sogenannten „Schuldumkehrantisemitismus“ ins Feld. Dazu wird unter anderem die Aussage „Juden versuchen heute Vorteile daraus zu ziehen, dass sie während der Nazi-Zeit Opfer gewesen sind“ gezählt, der immerhin knapp 36 Prozent der insgesamt 2.000 Befragten zustimmen. Aufmerksame Beobachter des politischen Geschehens fühlen sich angesichts dessen möglicherweise an den Namen Gil Ofarim erinnert:
„Unter Tränen berichtete der jüdische Musiker im Jahr 2020 von „antisemitischem Hass“ gegen ihn in einem Leipziger Hotel. Er unterstellte dem Portier des Hotels, dass dieser ihn aufgrund seiner Davidstern-Kette nicht einchecken lassen wollte. Doch dann kam alles anders: Der Portier des Hotels reichte Anzeige wegen Verleumdung ein. Die Ermittlungen entlarvten Ofarims Darstellungen als halt- und gegenstandslos. Mit der Schauergeschichte konnte Ofarim jedoch hervorragend sein Album, das einige Wochen zuvor erschienen war, bewerben.„
Doch diese Geschichte und viele weitere gleichgeartete Vorfälle werden in der Debatte gerne ausgeblendet. Die Frage, ob es denn heute nicht tatsächlich Vorteile bringt, wenn man in der „Hierarchie der Opfer“ hohe Ränge einnimmt, wird nicht zugelassen. Wer das zum Anlass nimmt, der obigen Aussage (eher oder ganz) zuzustimmen, ist dann eben „Antisemit“ – so einfach ist das. Doch weiter zum nächsten Punkt.
Schuldkult wird abgelehnt
Gar ein Drittel der Österreicher wird von der Studie als – zumindest latente – „holocaustbezogene Antisemiten“ eingestuft, da sie mit 34 Prozent der folgenden Aussage zustimmen: „Ich bin dagegen, dass man immer wieder die Tatsache aufwärmt, dass im Zweiten Weltkrieg Juden umgekommen sind”. Das hören jene Akteure, die eine „ewige Erbschuld“ der Deutschen und Österreicher gerne weiter zementieren würden, natürlich nur ungern. Erst unlängst forderte IKG-Präsident Oskar Deutsch die Errichtung eines “Shoa-Zentrums” nach amerikanischem und israelischem Vorbild in Wien. Die ÖVP zeigte sich dafür “gesprächsbereit”.
Welche verheerenden psychologischen Auswirkungen dieser offensiv betriebene Schuldkult auf die Identitätsentwicklung Jugendlicher hat, zeigt eine Studie des Psychologen Ulrich Schmidt-Denter aus dem Jahr 2017. Befragte Studenten äußerten in der Reflektion über entsprechende Unterrichtseinheiten etwa, dass sie Schuldgefühle verspürt hatten, sich manipuliert fühlten, Scham verspürten, Deutsche zu sein, und in der Folge Angst hatten, ihre Meinung frei zu äußern. Zudem hatten sie das Gefühl, dass ihnen Betroffenheit abverlangt wurde und dass sie eine innere Abwehr gegen das Thema entwickelt hatten. Die Autoren der Studie schlussfolgern, dass “die Holocaust Education ihr pädagogisches Vorgehen kritisch reflektieren sollte und sich vor allem Evaluationsstudien öffnen sollte“.
Doch die Autoren der Studie schlagen das genaue Gegenteil vor. Sie argumentieren, dass die offensive Thematisierung der Themen „Antisemitismus, Holocaust und Nationalsozialismus“ die Zustimmung zu antisemitischen Aussagen lindern würde. Als besonders wirkungsvoll würde sich dabei der „Besuch einer Holocaustgedenkstätte“ erweisen. Die oben ausgeführten, verheerenden psychologischen Auswirkungen werden von der Studie hingegen nicht thematisiert.
Kaum rassistische Klischees
Ironischerweise kommt die Studie zu dem Schluss, dass ausgerechnet der „rassistische Antisemitismus“ – also jene Form, die die Vorstellungswelt des 20. Jahrhunderts maßgeblich bestimmte – kaum Zustimmung bei den Befragten findet. Aussagen wie „Von einem Juden kann man nicht erwarten, dass er anständig ist“ sowie „Wenn ich jemanden kennenlerne, weiß ich in wenigen Minuten, ob dieser Mensch Jude ist“ stimmten lediglich 10 beziehungsweise 12 Prozent der Befragten zu. Kurios: Die von 21 Prozent geteilte, zionistische Assoziationen hervorrufende Aussage „Juden sind für mich im Grunde israelische Staatsbürger und keine Österreicher“ wird ebenso als „antisemitisch“ gewertet.
Migranten wesentlich antisemitischer als Österreicher
Doch die Studie birgt noch aus ganz anderen Gründen politischen Sprengstoff. In ihrem Fokus standen auch „Menschen mit Migrationsgeschichte”. Diese „Aufstockungsgruppe“ bestand zur Hälfte aus türkischen und arabischen (in erster Linie Ägypter, Syrer und Iraker) Migranten. Dabei handelt es sich vorrangig um Personen, die in Österreich geboren, aufgewachsen und in die Schule gegangen sind. Lediglich ein Viertel ist selbst zugewandert, 14 Prozent wanderten in den letzten 10 Jahren ein. Die Studie kommt zu folgendem Schluss: „Die Aufstockungsgruppe legt durchgehend eine sehr viel stärkere antisemitische Einstellung an den Tag als die österreichische Gesamtbevölkerung.“ Das betreffe vor allem „den Hang zu allgemeinen Verschwörungsmythen“ und – wenig überraschend – den sogenannten „israelbezogenen Antisemitismus”. Anstatt angesichts dessen ein Ende der Ersetzungseinwanderung oder eine Remigration zu fordern, werden die üblichen Verdächtigen jedoch wieder den „Kampf gegen Rechts“, also gegen einheimische Patrioten, verstärken.
Verzerrt soziales Tabu die Ergebnisse?
Bei einem genaueren Blick auf die Ergebnisse der Studie fällt zudem auf, dass ein hoher Anteil der Befragten die Beantwortung einzelner Fragen („Keine Angabe“/“Weiß nicht“) verweigert. Das fällt vor allem bei den Fragen zu Israel (zwischen 22 und 31 Prozent), der „Schuldumkehr“ (17 bis 22 Prozent) sowie des jüdischen Einflusses (19 bis 28 Prozent) auf. Das lässt sich möglicherweise mit der Angst vor „falschen“ Antworten und der Unsicherheit der möglichen Konsequenzen argumentieren. Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass dieses als „Soziale Erwünschtheit“ (social desirability) bekannte Phänomen besonders die Umfrageergebnisse zu heiklen und hoch tabuisierten Themen wie Antisemitismus und Rassismus beeinflusst.
Fragwürdige Studie
Insgesamt hinterlässt die Studie nicht zuletzt deshalb einen schalen Beigeschmack. Viele Aussagen des Fragebogens und der daraus abgeleitete „Antisemitismus“ wirken konstruiert und erzwungen, wovon auch die kuriosen und ungelenken Formulierungen zeugen. Möglicherweise kommt dem einen oder anderen Leser diesbezüglich das von Norman Finkelstein geprägte Schlagwort der „Holocaust-Industrie“ in den Sinn. Dazu passt, dass jene Form des Antisemitismus, die im 20. Jahrhundert vorherrschend war, in der Bevölkerung hingegen kaum verbreitet ist – das müssen selbst die Autoren der Studie zugeben.
Dessen ungeachtet ziehen politische Verantwortungsträger wie Wolfgang Sobotka – und damit wohl ein Gros seiner Volkspartei – aus ihr den Schluss, dass Antisemitismus in „der Mitte der Gesellschaft“ verankert sei und daher weiter „bekämpft“ werden müsse. Das heißt: Auch in Zukunft wird weiterhin österreichisches Steuergeld in zahlreiche und bisweilen fragwürdige Gedenkinitiativen und damit verwandte Projekte fließen. Das von Experten geforderte, kritische Infragestellen der sogenannten „Holocaust Education“ und ihrer psychologischen Auswirkungen rückt hingegen in weite Ferne.
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