20. Dezember 2023

Warum es falsch war, die „Revolte Rheinland“ auf die Unvereinbarkeitsliste zu setzen

Komposition: Heimatkurier; Hintergrund: Revolte Rheinland/Filmkunstkollektiv

Die Entscheidung des AfD-Bundesvorstandes, die Aktionsgruppe „Revolte Rheinland“ auf die umstrittene Unvereinbarkeitsliste zu setzen, sorgt aktuell für Diskussionen. Wir veröffentlichen am Heimatkurier daher zwei Debattenbeiträge zum Thema. Daniel Fiß vom Feldzug-Blog kritisiert die Entscheidung und antwortet damit auf den Kommentar von Robin Classen. Er argumentiert: „Die Unvereinbarkeitsliste ist das falsche Instrument und stößt das politische Vorfeld vor den Kopf.“

Ein Kommentar von Daniel Fiß

Am vergangenen Montag wurde die identitäre Aktionsgruppe „Revolte Rheinland“ auf die Unvereinbarkeitsliste der AfD gesetzt. Über die Hintergründe und Umstände dieser Entscheidung, hat der Heimatkurier bereits hier berichtet. Nun gibt es auch erste Stimmen aus der AfD, die versuchen den Beschluss einzuordnen und die Bedeutung der „AfD-Unvereinbarkeitsliste“ nachskizzieren. Robin Classen, Landesvorstandsmitglied in Rheinland-Pfalz (der Landesverband, der die Entscheidung über den Unvereinbarkeitsbeschluss auch an die Gremien des AfD-Bundesvorstandes herantrug) meint, dass die Kritiker des AfD-Vorstandsbeschlusses ein falsches Verständnis von der Funktion und der Zielwirkung der Unvereinbarkeitsliste hätten.

Die Unvereinbarkeitsliste

Wer in der AfD online einen Mitgliedsantrag ausfüllen möchte, kann zuvor die PDF mit 13 Seiten und mehreren hundert Einträgen große Unvereinbarkeitsliste einsehen. Die Liste ist für viele in der Partei nach wie vor ein wichtiges Schutzinstrument, um sich vor extremistischen Unterwanderungsversuchen zu schützen. Sie dient als grobe Filteranlage, womit man die Bewohner der schlimmsten politischen Randzonen auf Abstand hält. Gerade junge Parteien stellen in ihrer Startphase mit Sicherheit auch für so manchen Idioten und politischen Analphabeten eine gute Gelegenheit dar, um die eigene Profilneurose auszuleben.

Die Symbolik ist entscheidend

Dennoch bleibt die Unvereinbarkeitsliste ein recht statisches Abwehrinstrument. Die Geschichte der AfD zeigt uns, dass diese Liste selbstverständlich auch immer wieder als innerparteiliche Waffe genutzt wurde, um Machtkämpfe auf den verschiedensten Regionalebenen der Partei zu entscheiden. Denn anders als Robin Classen in seinem Kommentar behauptet, ist die Liste eben nicht einfach nur ein rein formelles Warnsystem für die Kreis- und Landesverbände. Wir bewegen uns in politischen Sphären und dort haben eben nicht nur Rechts- und Verwaltungsakte eine Bedeutung, sondern auch Symbolik, Botschaften und Kommunikation.

Classen schreibt dazu „Eine Listung auf der Unvereinbarkeitsliste bedeutet nicht zwangsläufig eine negative Bewertung der Organisation und aller Menschen, die mit ihr zu tun haben…“ Das kann man so sehen, aber die kommunikative Wirkung einer solchen Listung ist natürlich mit negativen Assoziationen und eben auch einem Abstandsgebot, dass über die Unvereinbarkeit mit einer AfD-Mitgliedschaft hinausreicht. Vor allem im Hinblick auf mediale Berichterstattung wurden in der Vergangenheit Handschläge auf Demonstrationen, Veranstaltungsbesuche oder andere Kennverhältnisse von AfD-Politikern und Vorfeldakteuren, die auf der Unvereinbarkeitsliste stehen, immer wieder skandalisiert und im Anschluss oft auch als Grundlage für innerparteiliche Sanktionsmaßnahmen genutzt.

Die große Schwäche der Unvereinbarkeitsliste wird insbesondere dann deutlich, wo die ideologisch-weltanschaulichen Positionen nicht mehr klar voneinander zu trennen sind. Auf der Liste stehen ein Haufen von kommunistischen, linksextremen, islamistischen und auch klar rechtsextremen Organisationen wie Al-Qaida, der IS, die MLPD oder Combat18. Dort sind die ideologischen Trennlinien offenkundig. Im Fall der Identitären Bewegung ist die Abgrenzung aber nicht mehr so deutlich und aus dem Bundesvorstandsbeschluss geht auch nicht hervor welche inhaltliche Position der „Revolte-Rheinland“ oder der Identitären Bewegung völlig konträr zum AfD-Programm stehen würde. Es mag vereinzelte weltanschauliche oder auch stilistische Differenzen geben, aber die entscheidenden Kernanliegen der Identitären Bewegung (Erhalt der ethnokulturellen Identität und ein Paradigmenwechsel in der Migrationsfrage, hin zu einer Politik der Remigration) dürften weder dem Programm noch der politischen Praxis der AfD fundamental widersprechen.

Die UVL und der Verfassungsschutz

Classen führt weiter aus, dass unter anderem auch die Beobachtung durch den Verfassungsschutz als Kriterium für die Listung auf der Unvereinbarkeitsliste dient: „Grund für die Listung ist weit überwiegend eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz oder eigene Anhaltspunkte, die für eine gewisse Brisanz von Mitgliedsanträgen sprechen“ und weiter: „Gerade kleinere Organisationen, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden, können offenkundig ein Risiko für die Partei darstellen: Dies gilt insbesondere, wenn sie eine höhere Einstufung (bspw. „gesichert rechtsextremistisch“) aufweisen als der jeweilige Landesverband und der Verfassungsschutz diesbezüglich freie Hand auch in Hinblick auf Agententätigkeit hat. Derartige Organisationen haben – anders als die AfD mit ihrer Unvereinbarkeitsliste – keine Probleme damit, auch Mitglieder aus anderen unstreitig extremistischen Organisationen aufzunehmen, ohne besondere Vorsicht walten zu lassen.“

Damit wird eine weitere Schwäche offensichtlich. Die AfD entscheidet nicht allein qua inhaltlich-programmatischer Souveränität, wer auf der Unvereinbarkeitsliste landet und wer nicht. Die „unsichtbare Hand“ des Inlandsgeheimdienstes wird als eine Art externe Entscheidungshilfe hinzugezogen. Wohlgemerkt ist dies der gleiche Verfassungsschutz, der die Partei in einzelnen Landesverbänden bereits als „gesichert rechtsextremistisch“ und im Bund bereits als Prüffall eingestuft hat. Die Identitäre Bewegung hat über fünf Jahre einen juristischen Prozess gegen den Verfassungsschutz geführt. Ich selbst habe als damaliger IB-Bundesleiter das Verfahren mit Anwälten koordiniert und mehrere hundert Seiten an Akten, Schriftsätzen, Urteilen und Dossiers studiert. Die Textbausteine des Verfassungsschutzes und der Gerichte sind sowohl in dem Verfahren gegen die Identitäre Bewegung als auch gegen die Junge Alternative und gegen die AfD meist inhalts- bis wortgleich.

Die Angriffsflächen für den Verfassungsschutz sind nicht organisatorische Schnittstellen oder Kennverhältnisse mit der Identitären Bewegung, sondern der ethnisch-kulturelle Volksbegriff, der angeblich gegen das Gebot der Menschenwürde in Art. 1 GG verstoßen würde. Dies sind teilweise hochkomplexe juristische Abstraktionsebenen, die ich bereits an anderer Stelle skizziert habe (hier, hier und hier). AfD-Entscheidungsträger, die derartige Beschlüsse gegen Revolte-Rheinland mit dem Abwehrkampf gegen den Verfassungsschutz begründen, müssten sich einfach nur die Mühe machen und die entsprechenden Urteile und Gerichtsbeschlüsse aus Berlin und Köln der letzten vier Jahre gegen die JA, AfD und IBD auch tatsächlich lesen.

Missverständnisse zwischen Partei und Vorfeld

Während Classen im ersten Teil noch versucht, den AfD-Vorstandsbeschluss als reine Vorsichtsmaßnahme zu rechtfertigen, begibt er sich im zweiten Teil auf ein leider unnötig polemisches Niveau. Classen erkennt zwar, dass es zwischen einer Partei und ihrem Vorfeld immer auch synergetische Kräfte gibt. Er eröffnet dann aber eine konstruierte Front zwischen der von ihm bezeichneten „Scheitelträger-Fraktion“ aus Schnellroda, EinProzent und der Identitären Bewegung und etablierten zivilgesellschaftlichen Akteuren wie Mittelstandsverbänden, Windkraftgegnern oder anderen Lobbygruppen.

An dieser Stelle gilt es abschließend einige nach wie vor weit verbreitete Missverständnisse in der Beziehung zwischen Partei und Vorfeld aufzuklären. Das politische Vorfeld ist keine statische Einheit und auch kein exklusiver Club der „Scheitelträger“. Politische Handlungs- und Aktionsräume agieren in unterschiedlichen Sphären der zivilgesellschaftlichen Öffentlichkeit über Kultur, Bildung, Journalismus, Publizistik und eben auch Aktivismus. Im politischen Vorfeld werden politische Ideen vor gedacht, Kernbegriffe und Symbole popularisiert und kulturelle Güter geschaffen. Es geht darum, politische Macht nicht nur auf Parlamentsmehrheiten zu reduzieren, sondern ein rechtskonservatives Lebensbild moralisch zu legitimieren und in ein normalisiertes Alltagsverständnis zu überführen. Das Vorfeld kann metapolitische Pionierarbeit leisten, die dann von einer ressourcenkräftigen Parteistruktur aufgegriffen und weiter unterstützt wird. Selbstverständlich ist die AfD mit ihrer parlamentarischen Präsenz jener politischer Akteur mit der größten öffentlichen Resonanz. Rund um diese parlamentarische Repräsentation gibt es aber noch viele weitere metapolitische Machtachsen und Mikroebenen, in denen die öffentlichen Diskurse gestaltet und geprägt werden.

Unvereinbarkeitsbeschluss ist das falsche Mittel

Classen erkennt richtigerweise die gegenseitige Bedingungsstruktur zwischen Partei und Vorfeld, die gleichzeitig auch mit einer sauberen organisatorischen Trennung einhergehen muss. Unvereinbarkeitsbeschlüsse sind hier aber das falsche Mittel, da sie eben wie schon eingangs erwähnt keine organisatorische Trennung manifestieren, sondern eine künstliche und meist von außen aufoktroyierte ideologische Abgrenzung, die auch für Parteiordnungsmaßnahmen genutzt wird. Zur Illustration sei die Aussendung des Landesverbandes Rheinland-Pfalz in der Causa zitiert: „Ein Unvereinbarkeitsbeschluss bedeutet, dass Mitglieder der AfD sich in diesen Vereinigungen nicht als Mitglieder oder Aktivist engagieren dürfen und Zuwiderhandlungen parteiordnungsrechtlich bemaßnahmt werden.“ Was wird denn jetzt passieren, wenn sich JAler an einer harmlosen Wanderung der „Revolte Rheinland“ beteiligen? Ein derartiger Beschluss sorgt im besten Fall für Verwirrung und Unsicherheit sowie im schlechtesten Fall zum Missbrauch und die Austragung parteiinterner Konflikte durch ständige Kontaktschuld-Vorwürfe. In beiden Fällen sind ein Stigma und eine schrittweise Isolation der betroffenen Gruppe quasi unvermeidlich.  

Benedikt Kaiser hat vor wenigen Jahren den Begriff der sogenannten „Mosaik-Rechten“ geprägt und in seinem Kaplaken-Band „Die Partei und ihr Vorfeld“ spezifiziert. Das rechtskonservative Lager agiert stets wie ein Mosaik aus verschiedenen einzelnen Steinen, die nicht identisch sind und sich auch mal näher oder ferner stehen. Am Ende entsteht aus diesen verschiedenen Bestandteilen ein Gesamtbild, dass sich aus Partei und Vorfeld zusammenfügt. Damit wird deutlich, dass die Vorfeldakteure natürlich kein Interesse haben, aus der Partei eine Aktionsgruppe oder einen Theoriekreis zu machen. Alice Weidel muss keine Sturmmaske aufsetzen und mit Bengalo und Banner auf die Dächer der Republik steigen. Niemand erwartet von Tino Chrupalla, dass er Spenglers Geschichtsmorphologie oder Heideggers Seinsfrage verstehen und kommunizieren muss.

Wenn Classen schreibt: „Es ist offenkundig eine schlechte Idee, einerseits in einem Kreisvorstand Wahlprogramme zu schreiben und im Kreistag Haushaltsfragen zu diskutieren und sich am Wochenende auf Wohnhäusern zu verschanzen oder im Schutz der Dunkelheit Bengalos zu zünden und Banner aufzuhängen.“ – dann ist dies zunächst einmal ein reiner Strohmann. Denn genau das wurde nirgends gefordert und wird auch vom politischen Vorfeld abgelehnt.

Zusammenfassung

Ich schätze Classen und ich sind uns soweit einig, dass eine Partei auch ein politisches Vorfeld braucht und daraus auch Impulse und Energie ziehen kann. Auch in der organisatorischen Trennung herrscht womöglich kein Dissens. Mit Unvereinbarkeitsbeschlüssen werden aber ganz andere Pflöcke eingeschlagen. Wenn Classen schreibt, dass die Unvereinbarkeit nur den Status Quo einer sauber gezogenen organisatorischen Trennung, ohne Werturteil über die entsprechende Gruppe, manifestieren würde, dann ist dies entweder nicht ehrlich oder naiv. Auch der Einwand der „Unkontrollierbarkeit“ des Vorfelds greift zu kurz. Vor allem die Identitäre Bewegung ist jetzt schon länger keine unkalkulierbare „Black Box“ mehr. Aus dem Umfeld ihrer heutigen und früheren Führungskader sind Projekte wie die Gegenuni, das Filmkunstkollektiv oder der Feldzug-Blog und viele weitere entstanden. Aktivisten schreiben für zahlreiche Publikationsorgane vom Heimatkurier über die Sezession bis hin zur Jungen Freiheit. Man kann mit den Aktivisten auf Augenhöhe kommunizieren und auch Probleme und Sorgen ansprechen. Mit Unvereinbarkeitsbeschlüssen wird jedoch leider viel Vertrauen und Sympathie verspielt.

Der Autor Daniel Fiß ist Betreiber des Feldzug-Blogs und war zwischen 2016 und 2019 Sprecher der Identitären Bewegung Deutschland.

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