Tomasz Froelich, stellvertretender Vorsitzender der „Jungen Alternative“, wurde von der AfD-Jugend zum Spitzenkandidaten für die kommenden EU-Wahlen im Juni 2024 nominiert. Das sei eine „große Ehre”, aber auch ein „großer Auftrag”. Wir haben mit dem sympathischen Hamburger über die Bedeutung der EU-Wahlen, die Stellung und Aufgabe der AfD-Delegation sowie die geopolitischen Herausforderungen im 21. Jahrhundert gesprochen.
Am 9. Juni 2024 finden die nächsten EU-Wahlen statt. Für die meisten Rechten ein zwiespältiges Thema. Einerseits lehnt man die EU in ihrer gegenwärtigen Form ab, andererseits bietet eine entsprechende Vertretung auf EU-Ebene auch zahlreiche Chancen und Möglichkeiten – von der grundsätzlichen Notwendigkeit einer europäischen Zusammenarbeit ganz abgesehen. Tomasz Froelich, stellvertretender Vorsitzender der JA, ist sich dieser Spannungen bewusst und hat in den vergangenen Jahren gelernt, damit umzugehen. Er ist als politischer Berater der rechten ID-Fraktion im EU-Parlament tätig und war maßgeblich an deren Gründung beteiligt. Nun wurde er selbst als Kandidat bei den anstehenden Wahlen nominiert. Dem Heimatkurier hat er dazu einige Fragen beantwortet.
Heimatkurier: Lieber Tomasz! Du wurdest am vergangenen Bundeskonvent der „Jungen Alternative“ einstimmig zum Spitzenkandidaten für die EU-Wahlen im Juni 2024 nominiert. Was unterscheidet dich als Kandidat der JA speziell von den anderen AfD-Kandidaten?
Tomasz Froelich: Das sind Vergleiche, die andere vornehmen müssen. Ich respektiere jeden, der für die AfD kandidiert, denn allein schon ein Bekenntnis zu unserer Partei zeugt von nonkonformistischem Mut und ist ein Qualitätsmerkmal. Was mich auszeichnet? Weltanschauliche Stabilität, Grundsätzlichkeit, Idealismus, Teamfähigkeit, Humor und trotz meines relativ jungen Alters eine beträchtliche politische Erfahrung. So saß ich beispielsweise mit Marine Le Pen und Matteo Salvini am Verhandlungstisch, als wir die ID-Fraktion im EU-Parlament gegründet haben.
Du selbst sprichst von einer „großen Ehre”, aber auch einem „großen Auftrag„: Wie würdest du diesen Auftrag konkret beschreiben?
Ich habe konkrete Vorstellungen davon, wie die Arbeit im EU-Parlament aussehen sollte. Und ich denke, dass die Junge Alternative diese Vorstellungen teilt. Natürlich ist parlamentarische Arbeit wichtig, aber sie allein reicht nicht aus, zumal es auch im EU-Parlament einen gegen uns gerichteten Cordon sanitaire gibt. Es bringt nichts, sich auf die Spielregeln des Brüsseler Parteienkartells einzulassen. Die AfD-Delegation im EU-Parlament muss noch mehr Kraftzentrum und Denkfabrik unserer Partei werden. Wichtig hierfür ist eine intensive Einbindung von Akteuren aus unserem politischen Vorfeld, die Verwurzelung an der Parteibasis, die Verzahnung mit allen bestehenden Fraktionen in den Ländern und im Bund, ein starker Fokus auf Öffentlichkeitsarbeit und der weitere Ausbau unserer internationalen Netzwerke. Dafür trete ich an.
Eines der drängendsten Themen im 21. Jahrhundert ist der fortschreitende Bevölkerungsaustausch – der EU-Abgeordnete Bernhard Zimniok hat dazu kürzlich wichtige Aufklärungsarbeit geleistet. Welche Priorität misst du diesem Thema als zukünftiger EU-Parlamentarier bei? Und welche Chancen gibt es auf EU-Ebene, dem entgegenzusteuern?
Der Bevölkerungsaustausch ist, anders als der Mainstream es suggeriert, keine Verschwörungstheorie, sondern eine demographische Realität, die sich empirisch messen lässt. Ernst-Wolfgang Böckenförde hat richtig erkannt, dass ein Staat ein Mindestmaß an Homogenität braucht, um funktionieren zu können. Der Bevölkerungsaustausch greift diese Homogenität an – womöglich auf irreversible Weise. Es ist so, wie Irenäus Eibl-Eibesfeldt es beschrieben hat: Menschen brauchen große Vertrauensvorschüsse, um im Alltag kooperieren und friedlich zusammenleben zu können. Und diese Vertrauensvorschüsse gibt es nur dann, wenn man sich auf vertraute Umgebungen, Gepflogenheiten, Traditionen, Sitten und Bräuche verlassen kann. Auf Regeln und Normen, über die allgemeiner und unausgesprochener Konsens besteht. Das zeichnet Vertrauensgesellschaften aus. Multikulti-Gesellschaften sind hingegen Misstrauensgesellschaften, die unsere Ordnung infrage stellen. Wir wollen diese Ordnung wiederherstellen – durch dichte Grenzen und Remigration. In Deutschland, aber auch in Europa. Deshalb gilt es, auch auf europäischer Ebene möglichst viele Kräfte zu bündeln, um den Bevölkerungsaustausch zu stoppen.
Du selbst sagst: „Im EU-Parlament wird die AfD noch mehr Schlagkraft entwickeln müssen“ – was bedeutet das? Wo fehlt diese Schlagkraft aus deiner Sicht noch und wie kann das verbessert werden?
Schlagkraft entsteht durch eigene Stärke. Das heißt, dass wir mit einem deutlich besseren Ergebnis ins EU-Parlament einziehen müssen als 2019. Die aktuellen Umfragen stimmen mich diesbezüglich optimistisch, sind aber kein Grund, um sich auszuruhen. Und: Prozente, Parlamentarier und Pöstchen sind keine Garantie für nachhaltigen politischen Erfolg. Zu tun ist das, was ich zuvor schon beschrieben habe: Stärkere Einbindung des politischen Vorfelds, Verwurzelung an der Parteibasis, Verzahnung mit Fraktionen in Bund und Ländern, Fokus auf Öffentlichkeitsarbeit, internationale Vernetzung und Geschlossenheit nach außen. Außerdem dürfen wir auf internationalem Parkett ruhig selbstbewusster auftreten, denn wir haben, auch verglichen mit anderen europäischen Rechtsparteien, eine ganz entscheidende Stärke: Wir geben unsere Prinzipien und Überzeugungen nicht aus machtpolitischem Kalkül auf, sondern stehen zu ihnen, weil sie schlichtweg richtig sind. Das mag oft zunächst unpopulär sein, zahlt sich aber langfristig aus. Das war bei der Migrationskrise, bei Corona, bei der Atomkraft und Energiepolitik und beim Ukraine-Krieg so. Wir machen Politik nicht nach Wetterfahne, sondern aus Überzeugung, und das in einem ungleich schwierigeren Umfeld, als es andere europäische Rechtsparteien gewohnt sind. Das zahlt sich jetzt aus. Und das nötigt auch vielen unserer Partnerparteien Respekt ab.
Unter den Wählern der AfD herrscht gegenüber der EU große Skepsis. Du selbst sprichst davon, dass die Union in „ihrer gegenwärtigen Form“ abgeschafft werden müsse, es aber dennoch eine „europäische Bündnispolitik“ brauche. Welche Vision für das Europa des 21. Jahrhunderts schwebt dir also vor – gerade als Vertreter der deutschen Jugend?
Ein Europa, dessen Nationalstaaten stark und souverän, statt schwach und fremdbestimmt sind. Ein Europa, in dem man sich nicht dafür rechtfertigen muss, weiß, deutsch, rechts, heterosexuell und christlich zu sein. Ein Europa, das wieder europäisch wird und anschließend europäisch bleibt. Die Grundbedingung dafür ist die Emanzipation vom US-dominierten Westen, der uns falsche Werte aufzwingt und uns einer strategischen Autonomie beraubt. In der werdenden multipolaren Weltordnung, die uns viele Chancen bietet, braucht es einen europäischen Pol – nicht diese EU! -, damit die Völker Europas auf internationalem Parkett Verhandler, statt bloß Verhandlungsmasse fremder Hegemonialmächte werden. Deutschlands Anspruch muss es sein, ordnende Kraft dieses europäischen Pols zu sein.
Der Ukraine-Krieg und viele weitere Entwicklungen auf geopolitischer Ebene zeigen, dass Deutschland und Europa keineswegs Akteur, sondern vielmehr Objekt der Weltpolitik sind. Das ist seit Jahrzehnten bekannt, geändert hat sich daran jedoch seither wenig. Gibt es im 21. Jahrhundert überhaupt eine realistische Chance, diesen Zustand zu beenden?
Zbigniew Brzeziński, einer der prominentesten Theoretiker der Geopolitik, schrieb bereits 1997, dass Westeuropa und zunehmend auch Mitteleuropa weitgehend ein amerikanisches Protektorat bleiben, dessen alliierte Staaten an Vasallen und Tributpflichtige von einst erinnern. Das hat sich bis heute nicht geändert: Wir beteiligen uns in der Ukraine an einem Krieg, der nicht in unserem Interesse ist. Gegen unsere kritische Infrastruktur (Nord Stream) werden Anschläge verübt, die wir nicht aufklären dürfen. Wir verhängen Sanktionen, die uns mehr schaden als Russland. Und wir steuern auf Deindustrialisierung, Massenarbeitslosigkeit, Mangelwirtschaft, Energiepreisexplosionen und eine militärische Eskalation mit Russland zu. Das alles ist nicht in unserem Interesse, sehr wohl aber im Interesse Washingtons, denn der Verlust unserer ökonomischen und militärischen Sicherheit steigert den Schutzbedarf europäischer Staaten und macht sie so noch stärker vom US-Hegemon abhängig. Die werdende multipolare Weltordnung bietet die Chance, diese missliche Lage zu überwinden. Wir werden uns vom Westen emanzipieren müssen, ohne dabei zu einem russischen oder chinesischen Protektorat zu verkommen. Es geht um eigene Stärke und um eigene Souveränität. Stark und souverän ist, wer Alternativen hat – die Multipolarität bietet uns hierbei Chancen.
Ein europäischer Pol setzt auch ein gewisses Maß an Einheit und Gemeinsamkeit voraus. Die unterschiedlichen europäischen Nationen haben jedoch sehr unterschiedliche, zum Teil sogar gegensätzliche Interessen. Gerade als Vertreter einer rechten, also letztlich nationalen, Partei: Wie können diese Differenzen ausbalanciert werden?
Durch Überwindung anachronistischer nationaler Chauvinismen und die Bewusstwerdung, dass die Herausforderungen, vor denen die Völker Europas stehen, die gleichen sind und längst eine kontinentale, wenn nicht gar globale Dimension angenommen haben: Massenmigration, westliche Wokeness, der Regenbogenterror, der Kampf gegen die Natur und unsere Identität, werteimperialistische One-World-Ideologien. Dagegen gilt es, gemeinsam Widerstand zu organisieren und positive Visionen in unserem Sinne entgegenzusetzen. Natürlich wird es immer nationale Unterschiede und gegensätzliche Interessen geben. Das ist normal und gut so. Nur schließt dies eine europäische Bündnispolitik dort, wo es sinnvoll ist, nicht aus.
Zum Abschluss: Die Gegenwart ist durch zahlreiche Herausforderungen und Umbrüche geprägt, Benedikt Kaiser spricht von einer „Konvergenz der Krisen“. Gleichzeitig befinden sich rechte Parteien europaweit im Aufwind, in Deutschland und Österreich erleben AfD bzw. FPÖ aktuell Höhenflüge. Worin liegt angesichts dessen die Bedeutung der kommenden EU-Wahlen?
Die kommenden EU-Wahlen sind enorm wichtig. Von ihnen kann ein rechter Aufbruch in ganz Europa ausgehen. Das hätte eine enorme Symbolwirkung. Die nachvollziehbare Ablehnung der EU in ihrer gegenwärtigen Form darf daher bei der Rechten nicht dazu führen, dieser Wahl gleichgültig entgegenzublicken. Ich höre vereinzelt, dass man gar nicht zu dieser Wahl antreten und sie boykottieren sollte. Das ist ein unpolitischer Ansatz. Den Brexit hätte es ohne Nigel Farage in Brüssel und Straßburg nicht gegeben. Wenn wir unsere europapolitischen Ziele erreichen wollen, müssen wir die Mittel und die Bühne, die das EU-Parlament zur Verfügung stellt, in unserem Sinne nutzen. Bloßer Trotz bringt uns nicht weiter.
Lieber Tomasz, herzlichen Dank für das Gespräch!
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