In Italien wird aktuell über eine mögliche Verfassungsänderung diskutiert, die weitreichende Konsequenzen für die deutsche Bevölkerung in Südtirol haben könnte. Wir haben bei der Tiroler FPÖ-Landtagsabgeordneten Gudrun Kofler nachgefragt, wo hier die Gefahren liegen, warum die österreichische Bundesregierung ihrer Verantwortung nicht nachkommt und wie Südtirol aktuell unter dem Migrationsansturm zu leiden hat.
Heimatkurier: Liebe Frau Kofler! Aktuell wird in Italien eine mögliche Verfassungsänderung diskutiert, die weitreichende Konsequenzen für die deutsche Bevölkerung in Südtirol hätte. Was ist genau geplant?
Gudrun Kofler (FPÖ): Wenn diese Verfassungsänderung durchgeht, können künftig alle italienischen Staatsbürger dazu gezwungen (!) werden, Italienisch zu sprechen. „Alle Bürger haben die Pflicht, Italienisch zu beherrschen!“, heißt es dort. Das birgt eine große Gefahr für alle ethnischen Minderheiten auf italienischem Staatsgebiet – so auch für Süd-Tirol – und steht in absolutem Widerspruch zum Süd-Tiroler Autonomiestatut. Das Ganze hätte weitreichende Folgen. Die Menschen in Süd-Tirol würden künftig bei Amtsgeschäften, Verkehrskontrollen, im Krankenhaus, usw. dazu gezwungen werden können, die italienische Sprache zu verwenden, obwohl sie das verbriefte Recht auf Gebrauch der deutschen Muttersprache haben und Deutsch in Süd-Tirol als Amtssprache Gültigkeit hat. Man kann sich also ausmalen, welch weitreichende Auswirkungen dies für die deutsche Sprachgruppe haben würde.
Welche Verantwortung hätte hier die österreichische Bundesregierung? Und warum kommt sie dieser Verantwortung nicht nach? Was könnte Österreich – gemeinhin oft als „Schutzmacht Südtirols“ bezeichnet – für die Menschen in Südtirol bewirken?
Österreich hätte als Schutzmacht viele Möglichkeiten, um zu reagieren. Etwa den italienischen Botschafter einberufen oder eine Protestnote in Rom einbringen. Sowohl der Bundeskanzler als auch der Bundespräsident könnten sich öffentlich zu Wort melden und auch auf EU-Ebene wären Beschwerden denkbar. All dies hat eines gemeinsam: es braucht den politischen Willen dazu. Der scheint bei der schwarz-grünen Regierung aber gänzlich zu fehlen. Umso wichtiger wäre daher die Umsetzung der Doppelstaatsbürgerschaft für Süd-Tiroler. Dann nämlich wäre Österreich nicht mehr nur Schutzmacht, sondern die Menschen in Süd-Tirol wären österreichische Staatsbürger und stünden unter deutlich stärkerem Schutz.
Welche unrühmliche Rolle spielt hier die ÖVP? Unter Schwarz-Blau war immerhin die Einführung der Doppelstaatsbürgerschaft geplant. Umgesetzt wurde das Vorhaben nicht.
Die ÖVP würde das Kapitel Süd-Tirol am liebsten hinter sich lassen. Das merkt man auf allen Ebenen. Das Thema ist ihr unangenehm und „die guten Beziehungen“ mit Italien wohl wichtiger. In Sonntagsreden wird zwar gerne ein gesamtes Tirol beschworen, aber es bleibt leider bei salbungsvollen Worten. Die Taten sprechen eine ganz andere Sprache. Die Doppelstaatsbürgerschaft wurde bereits angesprochen. Hier liegt ein Beschluss des Nationalrats vor, der vom Innenministerium, welches seitdem von der ÖVP geführt wird, einfach nicht umgesetzt wird. Auch beim Fall der 104-jährigen Süd-Tiroler Katakombenlehrerin Hermine Orian, die sich nichts sehnlicher wünscht, als vor ihrem Tod die österreichische Staatsbürgerschaft wiederzuerlangen, blockiert die ÖVP auf allen Ebenen. Sie nimmt die Schutzmachtfunktion leider überhaupt nicht ernst.
Viele Rechte in Österreich und Deutschland haben mit dem Antritt der Rechtsregierung unter Giorgia Meloni viele Hoffnungen verbunden, insbesondere in der Migrationspolitik. Doch wie sieht eigentlich der Südtirol-Kurs der Regierung aus?
Abgesehen von der eingangs angesprochenen möglichen Verfassungsänderung sind Angriffe auf die Autonomie vonseiten dieser Regierung glücklicherweise bisher ausgeblieben. Es gilt aber dennoch wachsam zu bleiben. Wir kennen Italien und wissen, wie es um seine Absichten um Süd-Tirol steht. Außerdem gab es bereits einige Angriffe auf die Süd-Tirol-Autonomie von Politikern der aktuellen Regierung. Die erhoffte harte Gangart auf anderen Ebenen sehe ich bislang generell nicht, auch nicht migrationspolitisch. Da muss noch einiges passieren.
Auch die Hoffnungen in der Migrationspolitik wurden – wie bereits von Ihnen erwähnt – bislang enttäuscht. Die NGO-Schlepper führen ihre Arbeit fort, die Ankünfte illegaler Migranten über das Mittelmeer steigen rasant an. Wie wirkt sich diese verfehlte Migrationspolitik auf den wohlhabenden Norden und insbesondere Südtirol aus?
Süd-Tirol hat hier natürlich die gleichen Probleme wie der Rest des Westens. Gerade in Bozen und speziell am dortigen Bahnhof sieht man die Folgen der zügellosen Massenmigration. Für Süd-Tirol gibt es aber noch eine weitere negative Komponente: Der Proporz sichert den deutschen und ladinischen Süd-Tirolern ihre Minderheitsrechte – vor allem bei der Vergabe öffentlicher Stellen, die anteilsmäßig vergeben werden. Da sich aber die Migranten – wenn überhaupt – nur die italienische Sprache aneignen, ihre Kinder in italienische Kindergärten und Schulen geben und sich in weiterer Folge auch als zur italienischen Sprachgruppe zugehörig registrieren lassen, verschiebt sich der Proporz immer mehr zugunsten der italienischen Sprachgruppe. Das ist ein ernsthaftes Problem.
Sie selbst sind Politikerin der FPÖ und seit Oktober letzten Jahres Abgeordnete zum Tiroler Landtag. Welche Botschaft haben Sie angesichts der jüngsten Entwicklungen an die österreichische Bevölkerung außerhalb Tirols, die am Schicksal Südtirols – meist aus Unwissenheit – kaum oder gar keinen Anteil nimmt?
Das ist nicht ihre Schuld. Schon seit Jahren wird das Thema Süd-Tirol bewusst – und politisch und medial gesteuert – aus der Öffentlichkeit und von den Menschen ferngehalten. Auch aus der Schule ist das Thema und die gemeinsame Geschichte leider nahezu völlig verschwunden. Im Übrigen zu meinem großen Leidwesen auch im Bundesland Tirol und dort ganz besonders. Es gilt beim Thema Süd-Tirol ganz einfach Bewusstsein zu schaffen, damit sich die Menschen mit dem Thema und der leidvollen Geschichte Süd-Tirols beschäftigen, über die tatsächliche aktuelle Situation im Bilde sind und die Schönwetterberichterstattung über die vermeintlich „weltbeste Autonomie“ kritisch hinterfragen.
Liebe Frau Kofler, herzlichen Dank für das Gespräch!
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