Heute vor 79 Jahren: Der 8. Mai 1945 – die Kapitulation der deutschen Wehrmacht. Dieses Datum wird in der Bundesrepublik Deutschland und Österreich öffentlich als „Tag der Befreiung“ begangen. Am Wiener Heldenplatz veranstaltet man zu diesem Anlass sogar ein „Fest der Freude“. Wir betrachten, warum das zugrunde liegende Befreiungsnarrativ nicht nur historisch, sondern auch moralisch falsch ist.
Ein Kommentar
Der 8. Mai am Wiener Heldenplatz: Luftballons, Getränke, Musik und eine Lasershow. Wären da nicht die unzähligen Redebeiträge voller bedeutungsschwangerer Worte, könnte man glauben, wir wären auf einem Festival oder einer Party. Tatsächlich soll dies jedoch eine „Gedenkveranstaltung“ sein. Denn heute vor 79 Jahren endete der Zweite Weltkrieg – zumindest offiziell. In einigen Teilen Deutschlands wurde noch Wochen weitergekämpft. Japan kapitulierte erst im September 1945. Trotzdem gilt der 8. Mai – an dem das Oberkommando der Wehrmacht bedingungslos kapitulierte – heute als der Tag, an dem der Zweite Weltkrieg endete.
Nicht passend – oder doch?
Mag eine große Party auf den ersten Blick als unpassend erscheinen, um dem Ende eines Weltereignisses zu gedenken, das Millionen Menschenleben verschlungen hat, so passt dieser „Happening-Charakter“ auf den zweiten Blick doch ganz gut – zumindest zu unserer Zeit. Denn ein ehrenvoller Staatsakt, der würdevoll allen (!) Toten des Krieges gedenkt, würde weder zu unserer Regierung noch zu den etablierten Journalisten und Künstlern, die dieses Ereignis geradezu propagandistisch aufbereiten, passen.
Was vergessen wird
Dass bei all dem Siegestaumel und der Berauschung am Triumph der Alliierten eine klare, geschichtlich ausgewogene und vor allem der Zeit gerecht werdende Sicht auf die Ereignisse der Kriegsjahre, der Kapitulation und der Zeit danach kaum möglich ist, sollte kritischen Beobachtern klar sein. Vergessen werden in der medialen, politischen und gesellschaftlichen Betrachtung oft Bombenterror, Obdachlosigkeit, Trümmer, Vertreibung, Erschöpfung, Hunger, Tod, Verstümmelung, Schändung und Vergewaltigung durch jene, denen die „Befreiten“ ausgesetzt waren. Und so stellt sich uns die Frage: was ist dieser Tag wirklich?
Befreiung? Eine Frage der Perspektive
Es ist kein Wunder, dass sich heute hierzulande die Geister deutlich darüber scheiden, wie der 8. Mai 1945 betrachtet werden soll. Denn er ist ein Datum von wahrhaft über-historischer Bedeutung. Wer zu diesem Tag Position bezieht, bezieht gleichzeitig – ob er das will oder nicht – Position zu einer grundlegenden Gegenwarts- und Zukunftsfrage: Gibt es Völker?
„Wir“ wurden besiegt
Wer anerkennt, dass „Volk“ mehr meint als nur „Bevölkerung“, dass dieser Begriff eine Sprach-, Abstammungs- und Kulturgemeinschaft beschreibt, ein generationenübergreifendes „Wir-Gefühl“, der muss auch eingestehen, dass „wir“ 1945 besiegt wurden – unabhängig davon, welches Regierungssystem dadurch endete. Unser Volk hat einen Krieg verloren. Wer diese Volkszugehörigkeit leugnet und Zugehörigkeit lediglich über Ideologie und Werte definiert, der kann hingegen tatsächlich den Standpunkt einnehmen, am 8. Mai befreit worden zu sein. Die Generation der Väter, Groß- und Urgroßväter wird dabei als „fremd“ wahrgenommen. Eine Identifikation findet stattdessen mit der Siegerseite statt – „Wir haben den Krieg gewonnen“.
Historisch
Historisch ist die Streitfrage, ob wir am 8. Mai befreit wurden, hingegen sehr einfach zu beantworten, wenn wir betrachten, was an jenem Tag und den Tagen darauf geschehen ist: die Kapitulation der deutschen Wehrmacht, das Ende der staatlichen Souveränität, die Besetzung aller Landesteile, die von den alliierten Truppen zuvor noch nicht erreicht worden waren, sowie die dokumentierte Vertreibung, Vergewaltigung und Ermordung von Millionen Deutschen. Das sind ausschließlich Ereignisse einer Besatzung, keiner Befreiung. Deutschland wurde am 8. Mai 1945 lediglich von seiner staatlichen Souveränität „befreit“.
“Befreiung” ursprünglich Sowjetsprech
Das Narrativ, die feindlichen Truppen wären Befreier gewesen, geht ursprünglich auf die Sowjetunion zurück, die dies in Bezug auf den Einmarsch nach Österreich propagierte. Die Deutschen selbst sprachen ’45 von der “Katastrophe”, dem “Zusammenbruch” oder der „Stunde null“ – es war schwierig, passende Worte für das zu finden, was geschah. Selbst Gegner der Hitler-Regierung nahmen das Kriegsende nur im Ausnahmefall als Befreiung war. Viele von ihnen waren der Meinung gewesen, dass man Hitlers militärische Niederlage wegen der drohenden dramatischen Konsequenzen nicht wünschen könne und der Nationalsozialismus auf andere Art und Weise zu überwinden sei. In der Nachkriegszeit breitete sich die Interpretation als “Befreiung” langsam aus, blieb aber stets Minderheitenmeinung.
Ein zynischer Euphemismus?
Erst in den letzten Jahrzehnten schaffte sie sich Raum, bis sie vor wenigen Jahren zur offiziellen Staatsdoktrin in der Bundesrepublik und in Österreich wurde. Dass das, was damals geschah, eine Befreiung sein solle, war für die meisten Zeitgenossen höchstens ein zynischer Euphemismus. Schon allein deshalb, weil die Alliierten eindeutig selbst klarstellten, dass sie nicht als Befreier, sondern als Besatzer in die Reichsgrenzen einmarschieren. Auch für heute lebende Familien, in denen die Geschichten über das Leid und das Elend ihrer Angehörigen noch präsent sind, muss der offizielle Freudentaumel am Heldenplatz hämisch wirken. Für sie ist der 8. Mai auch ein Tag der Trauer.
Bomben, Vergewaltigung, Tod
Schon vor Kriegsende hatte die deutsche Zivilbevölkerung unter unzähligen traumatischen Erlebnissen zu leiden. Hervorzuheben ist hier der Bombenkrieg, der nicht nur militärische Ziele, sondern oftmals Wohngebiete traf. Besonders die Angriffe auf Dresden haben traurige Berühmtheit erlangt, stehen aber leider beispielhaft für die gesamte Endphase des Krieges. Schätzungen gehen davon aus, dass 1945 die Hälfte der städtischen Fläche des Deutschen Reichs in Trümmern lag. Von kriegsnotwendigem Vorgehen kann hier nicht mehr gesprochen werden, denn je näher die Kapitulation rückte, desto härter wurden die Luftangriffe auf die deutsche Zivilbevölkerung. Was oft ausgeblendet wird: auch Österreich wurde dabei schwer getroffen. Am stärksten traf es Wiener Neustadt, wo 40 Prozent aller Gebäude zerstört und weitere 48 Prozent beschädigt wurden. In Villach zogen die alliierten Bomben 85 Prozent der Gebäude in Mitleidenschaft, in Klagenfurt 69 Prozent. Graz wurde mit 58 Einsätzen am häufigsten angegriffen, gefolgt von Wien mit 52 Bombardements.
Vergewaltigungen
Mit dem Vorrücken der feindlichen Truppen, insbesondere der russischen Infanteristen, wurde das Leid der Zivilbevölkerung zur Dauerkatastrophe. Die Rotarmisten wurden direkt dazu aufgefordert, sich an der Bevölkerung zu vergehen. So schrieb eine russische Frontzeitung: „Wer noch Jungfrau ist, wird zum Weibe, und die Weiber Leichen bald. […] Tötet! Tötet! Es gibt nichts, was an den Deutschen unschuldig ist, die Lebenden nicht und die Ungeborenen nicht!“ Die genauen Zahlen sexueller Übergriffe sind unbekannt. Oftmals wurde aus Scham weder Anzeige erstattet noch eine ärztliche Untersuchung in Anspruch genommen und Vergewaltigungen in Verbindung mit Mord wurden oft schlichtweg übersehen. Schätzungsweise wurden 1,9 Millionen deutsche Frauen und Mädchen allein während des Vormarsches der Roten Armee bis Berlin an Körper und Seele geschändet. Viele Frauen überlebten die Tortur nicht, wurden nach der Vergewaltigung ermordet, starben an deren Folgen oder verübten Suizid.
Sonderfall Österreich?
Im Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolger des Deutschen Reichs, ist es unsinnig bis unpassend von „Befreiung“ zu sprechen – das muss sich jeder eingestehen, der ehrlich an die historische Betrachtung herangeht. Doch wie verhält es sich für die Republik Österreich? Gerade in Österreich ist die Erzählung von der „Befreiung“ im Mainstream eine sehr populäre. Das Land war 1943 in der Moskauer Deklaration – einer gemeinsamen Erklärung der alliierten Außenmister – zum „ersten Opfer“ des Deutschen Reichs erklärt worden. Auf diesem „Opfermythos“ baute man nach 1945 eine eigene Befreiungserzählung auf. Österreich wäre 1938 gegen seinen Willen angeschlossen worden. Die Niederlage Deutschlands habe die Souveränität Österreichs wieder ermöglicht.
Der Wendepunkt
Man stärkte in den Folgejahren eine dezidiert nicht-deutsche, österreichische Identität, die es so in den Jahrhunderten zuvor nie gegeben hatte. Im Zuge des 50. Jahrestages des Anschlusses und des dazu abgehaltenen „Gedenkjahres“ änderte sich jedoch allmählich die Lage. Stimmen nach einer seriösen Aufarbeitung wurden laut. Unabhängige Forschungsarbeit zeigte immer deutlicher, dass es 1938 kaum Widerstand und in den Jahren danach praktisch so gut wie keine Kriegsdienstverweigerung oder Sabotageakte gegeben hatte. Vielmehr musste die starke Identifikation der Österreicher mit dem NS-Regime eingestanden werden, die selbst zu Kriegsende den Einmarsch der Alliierten nicht als „Befreiung“, sondern als „Niederlage“ wahrgenommen hatten.
„Wir rücken als Sieger ein“
Dies ist eigentlich auch keine Überraschung. So lautete der Beginn der ersten öffentlichen Erklärung der Westalliierten an das österreichische Volk etwa: „Die alliierten Streitkräfte rücken in Österreich als Sieger ein; denn Österreich hat als wesentlicher Bestandteil des Deutschen Reiches gegen die Vereinten Nationen Krieg geführt.“ In der ehemaligen „Ostmark“ kam es in der Folge zu den gleichen schrecklichen Vergehen, wie in allen anderen „Reichsgauen“ auch. Folgend einige Zeitzeugenberichte, beispielhaft für das Leid unzähliger namenloser, vergessener Opfer.
Grausame Zeitzeugenberichte
Aus einem Behördenbericht: „Vor zirka 14 Tagen ist eine gewisse N. aus Wilfleinsdorf bei Bruck an der Leitha, als sie am Feld arbeitete, von mehreren russischen Soldaten mit vorgehaltenen Waffen gezwungen worden, mit ihnen in den Wald zu gehen. Dort wurde sie von 16 russischen Soldaten vergewaltigt und dann liegengelassen. Mit Aufwendung letzter Kraft konnte sich das Mädchen in den Ort schleppen. […] Vor vier Tagen ist dieses unglückliche Mädchen an den Folgen der Vergewaltigung in Wien im Spital gestorben.“ Eine 14-Jährige aus Klostermarienburg: „Das Martyrium dauerte von 10 abends, bis 4 Uhr in der Früh. Wie viele es waren, weiß ich nicht. […] Um 5 Uhr in der Früh ist meine Mutter gekommen und hat gefragt: ‚Lebst eh noch?‘“ Ein damals 11-jähriges Mädchen aus Bad Vöslau, das miterlebte, wie Russen ihre Nachbarin und einen alten Mann aufgriffen, die sich aus Angst in einem Keller versteckt hatten: „Sie nahmen sie mit in den ersten Stock und vergewaltigten sie alle nacheinander, während der alte Mann zusehen musste.„
Unvorstellbares Leid
Vergegenwärtigen wir uns diese Geschichten, die sich vor wenigen Jahrzehnten in dem Land, in dem wir leben, zugetragen haben, so muss uns bewusst sein, dass in jedem Dorf Mädchen vergewaltigt, in jeder Stadt Männer erschlagen wurden. Nicht weil sie Nazis, sondern weil sie Deutsche waren. Beispielhaft dafür ist ein weiterer Bericht eines damals jungen Österreichers aus dem Burgenland. Eine überzeugte Kommunistin, die sieben Jahre Nationalsozialismus in Österreich überlebt hatte, hatte mit Freude den Einmarsch ihrer russischen „Genossen“ erwartet. Doch die ersten Soldaten der Roten Armee, auf die die junge Frau traf, besiegelten ihr Ende. Nachdem sie nicht freiwillig mit den Männern des Trupps schlafen wollte, wurde sie von diesen nachts mehrere Stunden am Dorfplatz vergewaltigt. Ihre Peiniger beendeten ihr Leben durch das Abfeuern einer Leuchtpistole in ihren geschundenen Unterleib. Die Schmerzensschreie seien für ihn unvergesslich gewesen, so der damals junge Zeuge dieses Martyriums.
Selbstmord als Ausweg
Teils wurden junge Mädchen erst über die Warnung vor Vergewaltigungen sexuell aufgeklärt. Wen kann es da verwundern, dass sich manche lieber im Vorfeld das Leben nahmen, als „befreit“ zu werden? Als der erste Artilleriedonner den Wienern ankündigte, dass auch ihre Stadt bald in Russenhand fallen würde, begingen viele Frauen Selbstmord – aus Angst vor dem, was die „Befreier“ mit ihnen vorhatten. In der Steiermark wurden allein im ersten Monat fast 10.000 Vergewaltigungen offiziell bestätigt. Zeitgenössische Quellen melden 100.000 Vergewaltigungen in Wien, 140.000 für Niederösterreich. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen. Manche Schätzungen gehen von 50 Prozent der weiblichen Bevölkerung aus – die Ältesten über 80, die Jüngsten kaum drei Jahre alt. „Genießt den Krieg, der Frieden wird schrecklich“ wurde zum zynisch-tragischen Witz gegen Ende des Deutschen Reiches.
Gedenken – damals und heute
Wie kann man angesichts dieses Grauens ungetrübte Jubelfeste am Heldenplatz feiern? Tatsächlich ist so etwas erst seit wenigen Jahren denkbar. Das Gedenken an den Krieg und seiner Opfer hat, wie nahezu alle gesellschaftlichen Themen, über Jahrzehnte hinweg einen massiven Linksrutsch erlebt. In der frühen Nachkriegszeit war ab 1950 eine „Totengedenkfeier am Heldenmal“ mit Kranzniederlegung ein festes Ritual an der Wiener Universität. Der Wiener Korporationsring, ein Zusammenschluss von Studentenverbindungen, veranstaltete erstmals am 29. November 1952 eine „Gefallenenehrung“. Dabei ist zu bedenken, dass zu diesem Zeitpunkt Österreich noch besetzt war und jede Veranstaltung mit nationalem Charakter unter strenger Beachtung stand. Ein Gedenken speziell für die Angehörigen der Wehrmacht und der anderen kämpfenden Verbände wäre im politisch-medialen Klima unserer Tage völlig undenkbar und würde sofort zu „Verherrlichung des Nationalsozialismus“ verdreht werden. Selbst während der unmittelbaren Besatzungszeit gab es somit mehr Freiheit im Umgang mit der eigenen Geschichte und dem Gedenken an die eigenen Gefallenen als heute in der Zweiten Republik.
Soldaten statt Burschenschafter?
Von den 1990er Jahren bis 2012 gab es ein jährliches Totengedenken des Wiener Korporationsringes. Ziel war es, „aller Opfer des Zweiten Weltkrieges zu gedenken“. Auf Anordnung der rot-schwarzen Regierungsparteien wurde 2013 der Heldenplatz dann für eine Mahnwache des Bundesheeres inklusive eines Festkonzertes der Wiener Symphoniker als „Bekenntnis zu Demokratie und Freiheit in Österreich“ in Anspruch genommen. Verteidigungsminister Gerald Klug erklärte hierzu am 6. Mai 2013 in der Presse: „Wo in den vergangenen Jahren die Burschenschafter aufmarschiert sind, werden diesmal Soldaten zum Gedenken an die Opfer des Faschismus Wache halten. […] Für einschlägige Gruppen darf es keinen Platz geben, schon gar nicht auf dem Heldenplatz.„
Verengung des Gedenkens
Hatte der WKR sich zum Ziel gesetzt, „allen Opfern“ der Jahre 1939-45 zu gedenken, verengte die Republik dies ausdrücklich auf die Opfer des Nationalsozialismus. Seither wird nun jährlich das „Fest der Freude“ begangen. Verantwortlich für dessen Gestaltung ist unter anderem das antifaschistische „Mauthausen Komitee“. Die Wahl der Künstler für das Festkonzert berücksichtigt sowohl die Alliierten als auch die Nationen der Opfer des Nationalsozialismus. Doch den 8. Mai einfach nur zum Tag der „Befreiung“ zu erklären und „Feste der Freude“ abzuhalten, ist unseren Vorfahren, ihren Entbehrungen, ihren Opfern und ihrem Leiden unwürdig – es schändet jeden Ermordeten, jede Vergewaltigte ein zweites Mal.
Den eigenen Opfern gedenken – Siegermythen hinterfragen
Ein erster Schritt, der einem freien Volk gerecht werden würde, wäre das Gedenken an die eigenen Opfer im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung. Mit dem Tod der letzten Zeitzeugen verschwinden auch deren Erinnerungen, Geschichten und Erlebnisse zusehends aus dem kollektiven Gedächtnis. Im Schulunterricht wird es daher umso notwendiger, nicht nur Ursachen, Verlauf und Ende des Krieges, sondern auch die Zeit danach kritisch aus der Perspektive unserer Vorfahren zu betrachten.
Sowjetdenkmäler problematisieren
Und nicht zuletzt ist eines längst überfällig: Die Rote Armee stellte sich in vielen Großstädten nach der Besatzung selbstgerechte Siegesmäler auf, die bis heute zu ihrer Glorifizierung dienen. Auch in Wien prangt bis heute einer dieser Monumentbauten – bitter-scherzhaft oft als „Denkmal für den unbekannten Vergewaltiger“ bezeichnet. Während alle möglichen alten Weihestätten und Denkmäler kritisch hinterfragt werden, Straßen umbenannt werden und Statuen, wie jene vom großen Wiener Bürgermeister Lueger, zeitgeistig hinterfragt werden, stehen diese Bauten seit fast 80 Jahren unverändert im Land. Die Forderung, auch diese Sowjetdenkmäler kritisch zu kommentieren, indem man dort durch Zusatzbauten an ihre Verbrechen erinnert, ist nicht nur gerecht, sondern längst überfällig. Die Errichtung eines eigenen Mahnmals in Erinnerung an die Grausamkeiten, die sich nach dem 8. Mai ereignet haben, könnte dann ein nächster wichtiger Schritt zu einer ehrlichen Gedenkkultur sein.
Ein Wegweiser zum würdigen Gedenken
In seiner Gedenkrede zum ersten Volkstrauertag am 5. März 1922 fand der damalige Reichstagspräsident Paul Löbe (SPD) folgende Worte: „Ein Volk, das seine Toten ehrt, ehrt sich selbst und wird daraus die Kraft schöpfen, den Weg zu neuem Leben, zum hellen Tage zu suchen. Ein Volk, das seine Toten ehrt, wird ein gemeinsames Band schlingen um viele Seelen, denen dasselbe Leid widerfuhr, und wird dieses Band auch ausdehnen auf die Mütter an der Wolga und am Tiber, deren Schmerz um den nicht mehr heimgekehrten Sohn nicht minder ins Herz sich fraß als der Mutter an der Donau und am Rhein.“ In diesen Worten eines Sozialisten lassen sich zugleich nationale Selbstachtung, Respekt vor den Toten des Feindes sowie der Wunsch nach einer Geste der Versöhnung und des Friedens finden. Sie wären ein guter Wegweiser für einen angemessenen Umgang mit dem 8. Mai.