24. Januar 2024

Friedrich der Große – Reformer, Kriegsherr und Philosoph

Bildkomposition: Heimatkurier / Friedrich der Große: Autor/-in unbekanntUnknown author, Public domain, via Wikimedia Commons / Hintergrund: Carl Röchling, Public domain, via Wikimedia Commons

Heute vor 312 Jahren wurde Friedrich der Große geboren. Eine Jahrhundertgestalt, die maßgeblich die neuzeitliche Größe Deutschlands in Europa und der Welt begründete. In seinem Beitrag porträtiert Anatolij Seller den großen Staatsmann und Feldherrn, der auf vielen verschiedenen Gebieten Unglaubliches leistete.

Ein Beitrag von Anatolij Seller

Heute vor genau 312 Jahren wurde Friedrich der Große geboren, dessen Lebensweg und Leistungen wir heute gedenken wollen. Der Alte Fritz, wie er oft genannt wird, ist wohl eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der deutschen Geschichte. Er hat die Geschichte Preußens und damit Deutschlands, Europas und der Welt maßgeblich geprägt. Er legte den Grundstein für den so genannten „deutschen Sonderweg“, nach dem Deutschland weder ein traditionell reaktionärer noch ein typisch liberaler Staat war, sondern beides in sich vereinigte. Der Historiker Hans-Ulrich Wehler bezeichnete das preußisch dominierte Deutsche Reich bis zum Ende der Weimarer Republik als „eigentümliche Spannung zwischen Tradition und Moderne“. Friedrich II. – mit dessen Wirken die preußische Vorherrschaft in Deutschland begann – vereinte dieses Spannungsverhältnis in seiner Person.

Der aufgeklärte Absolutismus

Dieses Verhältnis ist wohl auch auf die Spannung zwischen ihm und seinem Vater, dem Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., zurückzuführen, der nur Sinn für das Militärische und Wirtschaftliche, also das Praktische, hatte und daher das Ästhetische, die Literatur, Kunst, Philosophie und Musik abwertete. Friedrich ging aber nicht nur seinen eigenen Weg, sondern setzte vieles fort, was sein Vater begonnen hatte; so betrieb bereits dieser eine tolerante Religionspolitik, führte die allgemeine Schulpflicht ein, zentralisierte den Staatsapparat und vergrößerte das preußische Heer um ein Vielfaches, was Friedrich II. dazu nutzte, das preußische Territorium zu erweitern und Preußen zur fünften Großmacht neben Österreich, England, Russland und Frankreich zu erheben. Sein Vater legte damit den Grundstein für seine absolutistische, anti-feudalistische Herrschaft, und die persönliche Affinität Friedrichs des Großen zu Philosophie und Kunst fügte diesem Absolutismus die Aufklärung hinzu – so wurde Friedrich II. zum Prototyp des aufgeklärten Absolutismus.

Erster Diener des Staates

Im Gegensatz zum höfischen Absolutismus Ludwigs XIV. von Frankreich stand die Aufklärung hier nicht als Feind dem Absolutismus gegenüber, sondern wurde mit und durch ihn in Reformen schrittweise durchgesetzt – Ludwigs Diktum „Der Staat bin ich“ stand Friedrichs Idee gegenüber, „erster Diener seines Staates“ zu sein. Er schaffte die Folter – für ihn ein grausames und unsicheres Mittel zur Wahrheitsfindung – ab, denn er meinte: „Es ist besser, zwanzig Schuldige freizusprechen, als einen Unschuldigen zu opfern“. Ihm ist es zu verdanken, dass Preußen als erste absolute Monarchie Europas eine zumindest eingeschränkte Pressefreiheit einführte, indem er die Zensur für den nichtpolitischen Teil der Zeitungen aufheben ließ. Außerdem konnten sich alle Bürger brieflich oder sogar persönlich an den König wenden, um ihre Wünsche oder Sorgen vorzutragen. Er trieb den Ausbau des Bildungswesens stark voran und während seiner Regierungszeit wurden Hunderte von Schulen gebaut.

Reform des Rechts

Auch für die Rechtsentwicklung war er von großer Bedeutung, denn Friedrich der Große war bestrebt, ein klares und eindeutiges Recht zu schaffen, das über den feudalen Partikularinteressen stand. Diese Gedanken wurzeln in den Überlegungen Friedrichs I., des Gründers des Königreichs Preußen, ein einheitliches Recht zu schaffen. Allerdings gab erst Friedrich der Große eine grundlegende Kodifikation in Auftrag, das sogenannte Projekt eines Corporis Juris Fridericiani, das zwar nicht zustande kam, aus dem aber das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten (prALR) hervorging, das weitgehend unter Friedrich dem Großen erarbeitet wurde und erst nach seinem Tod unter seinem Nachfolger Friedrich Wilhelm II. in Kraft trat. Ihm war es besonders wichtig, die Macht der Juristen durch eine möglichst präzise Formulierung der Gesetze einzuschränken, was durch zahlreiche Detail- und Einzelregelungen erreicht wurde, die den Vorrang des Gesetzes festschrieben und nur eine sehr begrenzte richterliche Kompetenz zur Ausfüllung von Gesetzeslücken zuließen. Ein Ziel war auch, dass das PrALR das Recht für jedermann in verständlicher Form „lesbar“ machen und damit den Charakter eines Aufklärungsgesetzes erhalten sollte – man hatte den Anspruch auf „edle Volkstümlichkeit“ und gesetzessprachliche Reinheit. Eine landesweit einheitliche Rechtswirkung konnte das Gesetzbuch allerdings nicht entfalten, da es nur dann zur Anwendung kam, wenn lokale Rechtsquellen keine eigenen Regelungen trafen.

Der Reformator

In der Landwirtschaft förderte er die Kartoffel als Nahrungsmittel; im sogenannten Kartoffelbefehl ordnete er den Anbau der Kartoffel in den preußischen Provinzen an, da sie keine hohen Ansprüche an den Boden stelle, eine nahrhafte Speise für Mensch und Vieh sei und Nässe besser vertrage als Getreide. Deshalb werden noch heute Kartoffeln auf Friedrichs Grabstein gelegt, um an den Kartoffelbefehl zu erinnern. Schließlich bemühte er sich auch um die Abschaffung oder zumindest Milderung der Leibeigenschaft, konnte dies aber wegen des Widerstandes der alteingesessenen adligen Grundbesitzer nur schrittweise durchsetzen. All diese Reformen des Alten Fritz trugen sicherlich zur Staatstreue der deutschen Bevölkerung bei, die man auch als „Etatismus“ zu bezeichnen pflegt. Der von einem anderen deutschen aufgeklärten absolutistischen Monarchen, Joseph II. von Österreich, stammende Leitsatz: „Alles für das Volk, nichts durch das Volk“ ist ein Leitsatz, der auf den deutschen Sonderweg zutrifft.

Friedrich II. als Vorbild

Friedrich II. galt seinen Nachfolgern in dieser Hinsicht als großes Vorbild, wie etwa Wilhelm II. der ebenfalls in der Spannung zwischen Tradition und Moderne stand und sich deshalb in der sozialen Frage ganz in der Tradition Friedrichs des Großen sah. An Friedrichs 178. Geburtstag verkündete Kaiser Wilhelm II. in einer Proklamation an sein Volk den Wahlspruch „Je veux être un roi des gueux“ (Ich will ein König der Bettler sein) und führte sehr viele Reformen zugunsten der Arbeiterschaft durch, weshalb er im Volk auch als „Arbeiterkaiser“ bezeichnet wurde. Auch der Kleidungsstil Friedrichs II. spiegelt sich im späteren Deutschen Kaiserreich und seinem „Wilhelminismus“ wider, da er unabhängig vom Anlass, also auch im Feld und bei Hofe, meist nur den schlichten Interimsrock trug, der durch zahlreiche Porträts prägend für das Bild des großen Königs wurde. Dieser militärische „Überrock“, das Pendant zum zivilen „Gehrock“, gehörte in konservativen Kreisen des Kaiserreichs zur Alltagskleidung.

Der Feldherr

Friedrich II. beeinflusste diesen Militarismus Preußens und damit Deutschlands natürlich nicht nur durch sein militärisches Auftreten, sondern auch durch seine Siege in den drei Schlesischen Kriegen, von denen der dritte als Siebenjähriger Krieg bekannt ist. Hier kämpfte er gegen eine Übermacht von Feinden und behauptete sich auf dem europäischen Kontinent gegen die drei Großmächte Frankreich, Österreich und Russland und die beiden Mittelmächte Schweden und Kursachsen. Als einer der wenigen Monarchen seiner Zeit führte er seine Truppen stets persönlich und zeichnete sich durch großes strategisches Geschick aus. In diesen Kriegen errang er Schlesien, die Großmachtstellung Preußens und seinen Titel „der Große“, womit er einer der letzten europäischen Monarchen war, die als „der Große“ bezeichnet wurden, da sich der Schwerpunkt von großen Persönlichkeiten auf Nationen verlagerte. Später teilte er Polen mit Russland und Österreich und konnte Pommern über Westpreußen mit Ostpreußen verbinden, wodurch er die Gestalt des deutschen Ostens entscheidend beeinflusste und sich somit als erster König von Preußen – und nicht nur als König in Preußen bezeichnen konnte. Als Kriegsherr war er Vorbild für viele andere große Feldherren: Augenzeugen berichten, dass Napoleon nach dem Besuch des Grabes Friedrichs II. bei der Besichtigung von Friedrichs Gemächern im Schloss, als er sein Schwert fand, sagte: „Wenn der König, der dieses Schwert trug, noch lebte, wären wir nicht hier.“ Friedrich der Große war aber nicht nur Reformer und Kriegsherr, sondern auch Künstler und Philosoph. Er dichtete und komponierte eigene Stücke und spielte sehr gut Flöte. Viele seiner Kompositionen werden noch heute aufgeführt, wie der Mollwitzer Marsch oder seine Sinfonie Nr. 3 in D-Dur.

Eine Jahrhundertgestalt

Friedrich der Große markiert zweifellos einen Wendepunkt in der Geschichte. Die Ideen der individuellen Freiheit, des Vorrangs des staatlichen Gemeinwohls vor Partikularinteressen, des kodifizierten Rechts und des Sieges der Vernunft über das Dogma waren den anderen Staaten in vieler Hinsicht weit voraus, und wohl gerade deshalb konnte Preußen und später Deutschland sein tiefes Vertrauen in den Staat lange bewahren. Alle gesellschaftlichen Fortschritte, die in den liberalen Staaten mit Waffengewalt und der Durchsetzung der Demokratie erkämpft wurden, wurden in Deutschland von oben nach unten von der Obrigkeit selbst durchgesetzt, unter Beibehaltung der traditionellen Ordnung. Selbst die deutsche Revolution von 1848/1849 und ihre Paulskirchenverfassung forderten nicht die Abschaffung der Monarchie, sondern eine konstituierte Monarchie mit Mitspracherecht des Volkes, ohne die Macht des Adels abzuschaffen. In der Weimarer Republik empfanden viele – anders als heute – das Kaiserreich nicht als zu autoritär, sondern als zu schwach und sehnten sich nach einem starken Mann und einer Führungspersönlichkeit wie Friedrich II. oder Bismarck. Friedrich der Große ist somit ein Symbol der deutschen Geschichte und ihrer Folgen; in ihm verkörpert sich der Dichter und Denker, der Militarismus und der Etatismus des deutschen Geistes.

Legen wir also unsere Kartoffeln auf das Grab des großen Königs und ehren wir sein Vermächtnis!

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